Mit
Gottes Wort gegen die Wissenschaft
Von Markus
Becker
In der bizarren US-Debatte um Darwins
Evolutionstheorie und die göttliche
Schöpfung gerät die Wissenschaft zunehmend in die Defensive.
Ein
Museumsdirektor hat jetzt ein Handbuch mit Tipps zum Umgang mit
religiösen
Eiferern veröffentlicht. Es ist ein Dokument der Hilflosigkeit.
Es ist das
Gefühl einsetzender Übelkeit, das Ellis
Rubinstein bei der Erwähnung von "Intelligent Design" beschleicht.
"Ich habe gerade gut gegessen", grummelt der dreifache Preisträger
des "National Magazine Awards" und ehemalige Chefredakteur des
Wissenschaftsmagazins "Science". Und da sein Abendessen dort bleiben
solle, wo es gerade ist (nämlich in seinem Magen), wolle er sich
zu dem Thema
lieber nicht näher äußern.
Die Szene im
altehrwürdigen
Hauptquartier der New York Academy of Sciences ist bezeichnend für
die
Auseinandersetzung zwischen den Anhängern der Evolutionstheorie
und den
Kreationisten, die in den USA erneut ausgebrochen ist. Nur dass sich
die
Kreationisten diesmal nicht Kreationisten nennen, sondern versuchen,
ihre Idee
als "Intelligent Design" unters Volk zu bringen. Und die geht, grob
verkürzt, so: Das heutige Leben ist viel zu komplex, um durch
"zufällige" Evolution entstanden zu sein, weshalb eine
übernatürliche
Intelligenz ihre Finger im Spiel haben muss.
Dass die neuen Kreationisten Gott nicht nennen, obwohl sie ihn meinen,
gehört
zur Strategie. Und die führte zur wohl geschicktesten und am
besten
organisierten Attacke auf die Evolutionstheorie, seit Charles Darwin
sie in
seinem 1859 erschienenen Werk "Die Entstehung der Arten"
eingeführt
hat. Mittlerweile tobt in den Medien, Museen und Schulbehörden der
USA ein
veritabler Kulturkampf. Im US-Bundesstaat Kansas hat es Intelligent
Design
mittlerweile in den Biologieunterricht an staatlichen Schulen
geschafft. In 20
weiteren US-Staaten werden derzeit Gesetze diskutiert, die mehr oder
weniger
deutlich Darwins Theorie in Frage stellen.
Konzertierte Attacke auf die Wissenschaft
Warren Allmon, Direktor des Museum of the Earth in Ithaca, hat jetzt
ein
"Handbuch für Museumsführer" veröffentlicht - als
Argumentationshilfe
für Wissenschaftler, die nicht wissen, wie sie auf verbale
Angriffe von
christlichen Darwin-Feinden reagieren sollen. "Einige dieser Leute sind
ziemlich aggressiv", sagt Allmon. Dabei kann er sich noch
glücklich
schätzen, denn sein Museum liegt im Staat New York, der
US-Konservativen als
Hochburg der Intellektuellen und Liberalen gilt. "Wir haben hier in New
York nicht so viele Kreationisten wie in Texas oder anderen Staaten des
Bibelgürtels", sagt Allmon. "Viele andere Museen haben noch weit
größere Probleme."
Sein Handbuch
mag für
Museumsführer hilfreich sein, dokumentiert aber auch die
Hilflosigkeit, mit der
Wissenschaftler, Lehrer und mithin alle Nicht-Anhänger eines
wissenschaftlich
verbrämten Kinderglaubens auf die konzertierte Attacke der
Intelligent-Design-Anhänger reagieren. "Warum ist Evolution
wichtig?", fragt das Handbuch. Den meisten Mitteleuropäern
dürfte das etwa
so sinnvoll erscheinen wie die Frage, warum es ganz gut ist, dass die
Erde rund
ist.
Die Mehrzahl der Amerikaner aber glaubt, dass die biblische
Schöpfung ganz real
stattgefunden hat. Das zumindest besagen die meisten Umfragen der
vergangenen
20 Jahre. Erst vor wenigen Wochen ergab eine Erhebung des Pew Research
Center,
dass 64 Prozent der Amerikaner Kreationismus, in welcher Form auch
immer, im
staatlichen Schulunterricht wünschen. Nur 26 Prozent waren gegen
die
Vermittlung jedweder Form des göttlichen Wirkens im
wissenschaftlichen
Unterricht. Und: Nicht einmal jeder zweite Amerikaner glaube der
Umfrage
zufolge, dass sich der Mensch aus anderen Arten entwickelt hat.
Gott beschwören, ohne Gott zu nennen
Die Debatte verläuft für die Freunde der wissenschaftlichen
Vernunft gefährlicher
denn je, denn die Verfechter des Intelligent Design meiden
fundamentalreligiöse
Sprache. Das hat zunächst juristische Gründe: Der Oberste
Gerichtshof der USA
hat 1968, 1982 und zuletzt 1987 entschieden, dass Kreationismus an
staatlichen
Schulen nichts zu suchen hat - nicht einmal als Ergänzung zur
Evolutionstheorie. Alles andere verletzte die in der Verfassung
garantierte
Trennung zwischen Kirche und Staat.
Ob die
Kreationisten mit ihrer
Intelligent-Design-Strategie diesmal erfolgreicher sein werden,
könnte sich
ebenfalls vor dem Supreme Court entscheiden. Der erste Akt des
juristischen
Showdowns spielt sich in diesen Tagen in Dover ab, einem Provinznest in
Pennsylvania. Der Schulbeirat der örtlichen High School war der
erste in den
USA, der das pseudo-wissenschaftliche Konzept für den
Biologieunterricht vorschrieb.
"Wir können den Stamm spalten":
Wie die Kreationisten versuchen, die traditionelle Wissenschaft zu
unterwandern
- und wie ihnen Präsident Bush hilft
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der |
Eiferer |
le
partisan, apôtre |
die |
Hilflosigkeit |
détresse |
die |
Übelkeit |
le
malaise |
|
einsetzend |
établi |
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beschleichen |
aborder |
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ehrwürdig |
honorable |
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bezeichnend |
significatif |
die |
Auseinandersetzung |
le
débat |
der |
Anhänger |
le
partisan |
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ausbrechen |
éclater |
|
geschickt |
habile |
|
einführen |
introduire |
|
toben |
faire
rage |
|
verbrämt |
enjoliver |
|
Gott
beschwören |
conjurer
Dieu |
der |
Verfechter |
le
défenseur |
|
spalten |
diviser |
der |
Stamm |
le
tronc, la race |
|
unterwandern |
noyauter |
der |
Hochburg |
la
forteresse |
die |
Erhebung |
étude,
statistiques |
Was ist das "Intelligent
Design" ?
Warum sollen die Kreationisten so eine Gefahr vorstellen?
Was wollen die Kreationisten ?
Was glauben meiste Amerikaner ?
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