HARRY POTTER
UND DER FEUERKELCH
Die
Bürde des Auserwählten
Von Daniel
Haas
Magische Kelche, feuerspeiende Drachen,
böse Zauberer - alles schön und gut.
Was aber könnte verhexter sein als die Pubertät? In Mike
Newells Adaption des
vierten Harry-Potter-Bandes kämpft der Jungmagier für Liebe
und Anerkennung -
und gegen sein Image.
Wenn 2006 die
Fußball-Weltmeisterschaft stattfindet, wird
dies auch ein Wettbewerb der Sicherheitskräfte sein. Wie gut
lassen sich
Zuschauer, Anlagen und Sportler schützen? Wie schnell kann man
Gewaltbereitschaft erkennen? Terror, Hooliganismus: Sportliche
Großereignisse
sind prädestiniert für die Katastrophe, man denke nur an die
Olympischen Spiele
1972, die übrigens nächstes Jahr ebenfalls ein Thema sein
werden, allerdings im
Kino als Filmstoff von Steven Spielberg.
Mike Newells "Harry Potter und der Feuerkelch" beginnt mit einem
Anschlag auf die Quidditch-Meisterschaft, das Pendant zur
Fußball-WM in der
Zaubererwelt. Die Anhänger von Lord Voldemort, jenem
Superschurken, der seit
drei Filmen und sechs Büchern Harry verfolgt, verwandeln den
Austragungsort in
ein Schlachtfeld. Damit sind Themen und Tonart des Films vorgegeben: Es
geht um
Terror und Gewalt, um ein Gemeinwesen, dass sich gegen Spionage von
innen und
Angriffe von außen wehren muss und um die sportliche
Auseinandersetzung, bei
der in der Folge nicht nur Quidditch-Pokale, sondern auch Jungsehre und
Mädchenliebe auf dem Spiel stehen.
 

HARRYS VIERTES FILMABENTEUER:
VERHEXTE PUBERTÄT
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Dass der Terror ein Gesicht bekommt, am Ende, mit der Materialisierung
Voldemorts aus einer ekligen Zaubersuppe sogar ein richtig prominentes,
und
dass sein Name offen ausgesprochen wird, macht deutlich, dass die
ängstliche
Beschwörung des Du-weißt-schon-wer nicht mehr gebraucht
wird. Wortmagische
Paranoia hat im vierten Potter-Film einem handfesten Pragmatismus Platz
gemacht, zumal der Bösewicht Batman-gleich regelmäßig
sein Logo - ein
schlangenbewehrter Totenkopf - in den Himmel projiziert. Wenn der
Teufel also
bereits in die Luft gemalt ist, kann man sich erstmal den irdischen
Prüfungen
stellen.
Die heißen Trimagisches Turnier und Pubertät, was letztlich
auf dasselbe
hinausläuft, weil erstens bei dem Zauberwettstreit zwischen den
Schulen
Hogwarts, Beauxbatons (Frankreich) und Durmstrang (Bulgarien) Jungs und
Mädchen
ihre Clique repräsentieren und zweitens, weil die Pubertät
bekanntlich beiden
Geschlechtern in puncto Liebe, Herzschmerz und Kampf gegen
Autoritäten jede
Menge Sportsgeist abverlangt.
Dass Potter
bei dem
Wettstreit, bei dem ein Drache ausgetrickst, gefräßige Nixen
bezwungen und ein
gefährlicher Irrgarten durchmessen werden muss, überhaupt
dabei ist, verdankt
sich einer Intrige. Wer seinen Namen in den magischen Feuerkelch, der
die
Teilnehmer auslost, geschmuggelt hat, wird am Ende enthüllt (es
soll hier zur
Freude für die paar Nicht-Potter-Leser geheim bleiben). Auf jeden
Fall ist
Harry eigentlich drei Jahre zu jung, um gegen den Haudegen Viktor
(Stanislav
Ianevski), den Mädchenschwarm Cedric (Robert Pattinson) und die
ehrgeizige
Nymphe Fleur (Clémence Poésy) anzutreten.
Selten sah
man Potter unter der Bürde des
Auserwähltseins, die er mit anderen Helden erfolgreicher
Kino-Serien wie Frodo,
Anakin Skywalker und Neo teilt, so sehr leiden. Wenn überhaupt,
dann will er
nur der Eine sein für die hübsche Cho Chang (Katie Leung);
das Wohl der Welt
ist vergleichsweise schnuppe angesichts einer gemeinsam durchtanzten
Nacht beim
großen Weihnachtsball. Den verbringt Cho aber mit Cedric, Harrys
Konkurrenten,
womit man wieder beim Sportgeist wäre.
Diese Mischung aus Ohne-Fleiß-kein-Preis-Moral, bei der jeder
gemäß seines
Engagements das bekommt, was er verdient, und extremer Gemeinheit im
Überschuss, verkörpert von Voldemort, macht Harrys Abenteuer
spannend. Auch wenn
Newells Inszenierung manchmal zu brav die Kulissen und Episoden der
literarischen Vorlage abhakt: Die Konfrontation von
Selbstermächtigung
(Harry/Liebe) und tragischem Fatum (Voldemort/das Böse) gibt der
Geschichte
Tiefe und Biss. Und dass Potter seine Heldenrolle lästig ist
konterkariert
darüber hinaus das Konzept des Welterlösers, wie es
demnächst in Disneys "Narnia"-Chroniken noch
einmal mit kompromissloser Hartnäckigkeit durchgespielt werden
wird.
Der Terror ist in diesem Blockbuster der markanteste, aber nicht der
einzige
märchenfremde Aspekt, mit dem sich die Geschichte auflädt.
Natürlich ist der
"Feuerkelch", wie seine Vorgänger, auch wieder Therapie-Geschichte
(ein Kind leistet Trauerarbeit angesichts des Todes der Eltern),
Bildungsroman
(ein Held reift angesichts schwerer Prüfungen zur
Persönlichkeit), Klassen- und
Rassendrama (Voldemorts reinrassige Zauberer gegen die
Muggel-Mischlinge).
Wie Voldemort jedoch seine Anhänger auf Linie bringt, wie
Abtrünnige bestraft
und Widersacher eliminiert werden, das ruft überdeutlich das Bild
des
Fundamentalisten auf, dessen Weltsicht nur Feinde oder Gleichgesinnte
kennt.
Man braucht viel Kraft und Integrität, um sich gegen so einen
Gegner zu
behaupten. Wie gut, dass Harry noch ein wenig Zeit hat zu wachsen. |
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